Früh raus, gleich auf den Krakauer Markt.
Es geht durch die Gassen einer alten jüdischen Vorstadt, aber es könnte in jeder Richtung gehn vom Hotel. Überall ist alt, und alt ist hier nicht umweltgerecht und entstehungszeitentsprechend originalrekonstruierte Fassade, alt ist bewohnt und runtergewohnt und nichts anderes da und hält grad noch so, während Fachleute die Hände über'n Kopf schlagen und rufen, das sei eigentlich so gar nicht möglich. Also ziemlich viel Leben auf engem Raum, Straßenverkehr, der auf Intuition und Pfiffigkeit beruht und vielleicht auf mehr praktischer Vernunft, als es uns Regulierten so vorkommt. Zebrastreifen, auf denen in Polen die Fußgängervorfahrt gerade drakonisch durchgesetzt wird, sind hier ein reines Spiel mit den Möglichkeiten, die ein flinkes Wiesel und ein steifer Panzer zur Begegnung und zum Ausweichen miteinander haben. Angst hatte ich im verkehrsstrengen Lublin mehr, die Sorge um die Verletzung der schönen Autos wie bei uns noch der größte Schutz (der will doch selbst keinen Kratzer...) - dieser Schutz fällt hier allerdings weg, was für Rostlauben fahren rum, es ist nicht nur auf dem Land schlagartig ein Stück 60er, Russland, alte Welt, Realsozialismus von vor 50 Jahren, in das man reingerät, es sind die zwei Zeiten auf einmal. Nämlich auch Luxusschlitten, Off-Roader, entsprechende Gallionsmädchen vorne rechts, aber auch die ganz schicken Damen, die sich Pakete tragen lassen von ihren Packern, die sie zu sich rufen wie Hunde. Es gibt Alte, die Mülltonnen durchwühlen und Wlan-Cafés, wo ein Kaffee soviel kostet wie ein Essen mit Salat und großem Bier nebenan. Trotzdem sitzen gerade in beiden Läden gleichviel Leute, sie sehen auch gar nicht so unterschiedlich aus.
Keine Ahnung bisher, was wirtschaftlich mit der Ukraine passiert - als sie ihre eigene Währung einführten, stand diese Hryvnie gleichauf mit dem Słoty, jetzt kriegt man knapp drei Hryvnien für einen und über zehn davon für einen Euro. Was heißt, dass man als Eu-Mitgliedsmensch hier im Luxus schwelgt und merkt es kaum, was die Ausgaben angeht. Für einen Normalverdiener der Union ist das in Polen nicht mehr möglich.
Auf dem Markt angekommen, empfing mich bei den ersten Ständen gleich das wüste Geschrei einer Predigerin, die offenbar alle Umstehenden verstörte, man duckte sich vor ihr. Der Lärm fiel so auf, weil er weg war, als die Alte verschwand. Was für ein stiller unaufgeregter Markt! Voll, gedrängt, reich bestückt mit Ständen, Leuten, aber man schlendert, schaut, wägt ab, kein Verkäufer würde mit Gebrüll oder Hast mehr verkaufen. Heiterkeit, auch ganz anders als im Verkehr. So viel Zeugs, Gewürze, Fische, Haustiere, Süßes, Saures, Unnützes, Nötiges, manches unvorstellbar billig, anderes fast unerschwinglich (wie man an Gesichtern sieht), Fülle von bei uns so ganz an den Rand gedrängten Dingen, die aufzuzählen halbe Bücher postmoderner Schriftsteller füllt. Ein Markt, wie Märkte eben sind außerhalb einer bestimmten Wirtschaftsgröße des Landes.
Manchmal kommt es mir vor, als wären wir mit unsern Einkaufszentren-Normen regulierter als die früheren Staatssozialismus-Länder, und es gibt in diesen Zentren doch auch eigentlich überall nur das Gleiche. Gibt es w-lan, frage ich, ist das Nokia N 900 hier schon zu kriegen? Ich gucke nach: Ja, ist ja toll. Oder: Nein, na die sind ja hier noch zurück...
Es sitzen viele Männer einfach so in ihren Autos, warten sie auf wen, schlagen sie Zeit tot? Uniformierte mit Pelzkappen stehen auch viel herum, oder noch bunter Uniformierte mit breit ausschwingenden runden Mützen, wie man sie aus alten sowjetischen Filmen kennt, sie gehen auch gern schnellen Schrittes, die Arme hinterm Rücken verschränkt. Manche Leute in Läden, wenn ich gar nicht weiß, was ich sagen soll, sorglos und unvorbereitet und natürlich dann nicht parat habe, was Tee heißt oder halbes Brot, sind gar nicht freundlich, auch nicht mitfühlend. Wenn ich aber vorbereitet schlecht die richtigen Worte ausspreche, dann macht das nichts, das wird belohnt, wie an der Opernkasse, wo ich ein wunderbares Lächeln bekam. Gute Laune bringt's auch, und die kann man gut haben, denn wo man hingeht, war schon wer, Martin Buber, Ferdinand v. Sacher-Masoch, Stanislav Lem, Sholem Allechem, Gustav Mahler - lauter Bekannte. Aber die Fremdheit, gekommen durch die gewaltsamen Völkerverschiebungen, die macht den Motor der Stadt genauso aus. Weites Feld.
In Lemberg gilt auf eine Führung durch die Innenstadt bezogen der Satz, der manchmal in Verträgen steht, ich glaub salvatorische Klausel heißt das: Ist eins der beschriebenen Gebäude nicht auffindbar gewesen, so ist es umstandslos durch ein ebenso schönes und interessantes zu ersetzen. Es ist immer etwas da, egal, wo man hinguckt.
quer - 11. Mär, 11:23
Am Busbahnhof. Der alte Ikarus kommt um 20 vor 11 und hängt das Schild raus Lublin Lwow. Gar nicht so 'n Gedränge wie vorausgesagt, gar nicht so viel Gepäck haben die Mitreisenden, der ruhige Fahrer will immer in Ruhe was rauchen, dann kommen immer grad Neue, deren Gepäck er verstauen muss. Gibt Telefonnummern, erklärt Wege. Ich glaube, er spricht ukrainisch.
"Madridu?", fragt jemand, von Madrid? Der Fahrer zwinkert mir zu, als eine Studentin einsteigt. Diese eleganten alten Damen im braunen Pelz, nicht nur Mantel, auch Hut, Schal und Handschuhe, alles in eins.
Jetzt eine mit glitzernder Mütze, sechs großen Paketen, Moment im Orient, ich würde mich niemals trauen das zu fotografieren. Es steigt noch einer zu, der sofort beim Fahrer sitzt, sie unterhalten sich lebhaft, wobei ich rauszuhören glaube, dass der Chauffeur ('Schoffer' sagt man) darüber seufzt, wie wenig mitfahren. Wir sind nur zehn. Der Preis wurde kürzlich von 30 auf 45 sł hochgesetzt, vielleicht lohnt der Schmuggel dann nicht mehr. Es geht zügig voran, immer mal wieder muss der alte Motor kühlen, dann geht auch die Heizung aus. Pinkelpause, einiges Gepäck eines Pärchens wird neu hinterm Motor verstaut. Kurz danach im letzten Ort vor der Grenze steigen nochmal 15 Frauen mit Marktgepäck zu und ein irendwie verschlagen wirkender Junge, es geht um den Preis, der Fahrer, plötzlich munterer, besteht auf soundsoviel słoty, die Frauen legen zusammen, es reicht nicht ganz, er schimpft.
Dann Grenze. Gravitätisch der polnische Beamte, "prosche" fordert er meinen Pass, den ich sowieso hinhalte, er geht, kommt wieder, von mir will er wissen, wohin, ich sage "Lviv", der Gesprächspartner des Fahrers wiederholt es, ich kriege mein Dokument zurück. Der Gesprächige hilft mir jetzt, in aller Eile einen Waschzettel auszufüllen für die ukrainische Seite, dort möchte man vor allem wissen, wo ich absteige, und Zöllner und Helfer sind erstaunt, dass ich die Buchung von HRS vorzeigen kann. Wie ein Streber.
Alles geht sehr schnell, keine halbe Stunde, beim Weiterfahren eine kilometerlange Schlange von Autos, die nach Polen reinwollen. Schicksalsergebenes Warten vor den Schengen-Schlagbäumen. Auf dass unsereins ruhiger schlafen kann.
Sobald die Grenze passiert ist, geht ein Geschichtenerzählen, Lachen und Schimpfen los, Polacki ist eins der Hauptworte, ich vermute stark, dass die europäische Aufgeblasenheit der Polen an der Grenze ein Thema ist, weiss ja vom ruhigen Grenzverkehr vorher, wie die Ukrainer jetzt ausgesperrt sind. Ukrainisch ist eine buntere, scheinbar schnellere, irgendwie kullernde Sprache, jedenfalls hier in der Gegend. Während ich mit meinem Helfer radebreche, schieben sich draußen Pferdefuhrwerke mit Mist beladen oder Menschen vorwärts durch Matsch und Eis und Schlaglöcher. Viele Holzhäuser hier, zu meiner Beruhigung sind die Ortsschilder zweisprachig, kann ich also noch lernen. "it's a problem in the head" sagt mein Gesprächspartner gern, er ist Tierarzt und kommt von einem Kongress aus Posen zurück, die ukrainischen Menschen seien in Ordnung, nur die Führung in Kiev (er sagt 'Kiuh, das v=u, klar, auch Li-u statt Lviv), die sei noch postkommunistisch und schlecht, die habe die Umstellung nicht auf die Reihe gekriegt, "problem in the head, you know?" Und sie arbeiteten immer noch Moskau zu. Er lacht viel und gern. Wiederholt sich oft, ein kleiner agiler vielleicht 35jähriger. Kinder hat er keine, ich erfinde noch eine Tochter dazu, er ist fast gerührt.
Als an der Grenze der ukrainische Zöllner wiederkommt, bricht er eine Spottrede auf seine Regierung (auf englisch) mitten im Wort ab, sagt keinen Ton mehr, bis der Beamte raus ist. Ich versuche das Gespräch zu erweitern mit: wer ist gutfreund mit der Ukraine. Norwegen, erfahre ich, Litauen, Portugal, Holland, Deutschland eher nicht, weil wir uns zu dick mit den Russen machen, und Frankreich nicht wegen irgendeiner Nähe zu den Moslems. Eine seltsame Weltsicht, die für mich noch weniger durchsichtig wird, als der Mann irgendwann auf seine Zeitung zeigt und sagt: "polish newspaper, polish jewish newspaper, good Information, but...", macht eine wegwerfende Bewegung dazu. Polnisch-jüdische Zeitung? Als er aussteigt, ist er mir eher ein Rätsel geworden. Wir verabschieden uns herzlich.
Lviv dann ein brodelnder Vorabendkessel, ich greife das Gepäck, tausche Geld und suche mich ohne Stadtplan zum Hotel. Das liegt erhöht an einem Park, mein Zimmer im 9. Stock hat Blick über die ganze Altstadt. Begeistert.
quer - 10. Mär, 13:26
Die Unsitte im polnischen Fernsehen, Filme, statt sie zu synchronisieren oder mit Untertiteln zu versehen, miterzählen zu lassen von einem Sprecher, während leise der Originalton drunterliegt, es hat etwas unsäglich Bräsiges. Üblich ist auch noch eine onkelhafte, vom Geschehen draußen ganz unberührte Stimme, sie gemeindet jede Fremdheit in eine Gemeinschaft ein, die es ohne die Verschandelung gar nicht gäbe. Skrupellos. Dass sich vielleicht jemand bei den Tonspuren was gedacht hätte: Scheiß drauf. Dass die Schauspieler mit ihren Stimmen als Instrumenten arbeiten: verzichtbar. Mich erinnert das vor allem an selbstgefälliges, völlig genügsames Gequatsche einiger 'scharfer Köpfe' bei uns, die ihren Anhängern was vom Pferd erzählen über die verrückte, aus den Fugen geratene Welt, in der sie sich natürlich auskennen und leicht und mit Witzigkeit gut und böse, blöde und schlau auseinanderhalten - schlau ist sowieso schon mal klar.
Das hat etwas so platt Tröstendes. Kann mir vorstellen, dass viele Polen die Filme nicht mehr anders sehen wollen, man wäre ja ganz allein gelassen ohne den Onkel, der sagt, wo's lang geht.
Zum zweiten Mal erschrocken, wie nah das Lager Maidanek bei der Stadt liegt. Wie ein übergroßes Sportfeld. Man muss doch die Schüsse gehört haben, Schreie, oder lief es ganz lautlos ab? Wenn man gewollt hätte, hätte man - wie heute.
In der Eiskälte lief ein Wachmann immer parallel mit mir mit, denn ich hatte einen Seitenweg ins Gelände gefunden, der nur aus Versehen offen war. Tat so, als würde ich den Wächter nicht hören, ging bis zur ersten Baracke, wieder zurück, und weil er nicht übers freie Feld rennen wollte oder durfte, traf er mich erst am Ausgang, den er hinter mir laut verriegelte. Montag Ruhetag.
Kurz im Gespräch gestreift: Der Hitler-Stalin-Pakt. Dass Polen ängstlich wird, wenn sich Deutschland und Russland verstehen. Die nicht beendeten Großmachtträume Russlands. Putins Berater Dugin, in Herbert Ulrichs Worten "sehr ökologisch, agrarisch, Machtmensch, antiamerikanisch, antijüdisch, angeblich russisch-orthodox, in Wirklichkeit ein praktizierender Sufi-Mönch." Auch Gorbatschow (Dorota spricht ihn wie alle polnischen Wörter auf der vorletzten Solbe betont aus: Gorbàtschow) sei Esoteriker gewesen, noch mehr seine Frau Raissa, "na, wenn's ihn locker gemacht hat..."
Warum so viele russische Künstler für Putin schwärmen, eine bekannte Jazzerin weiht U-Boote mit ihm ein und nennt ihn den neuen Zar, ich erwähne in dem Zusammenhang Kaminer, wenn auch die Verehrung, dem Stil des Verehrers angemessen, hier ein bisschen ironisch gebrochen ist. Aber warum? Ich sage: "Geld und Macht winken." Herbert sagt: "Nein, sie glauben daran." An ein Neues Russland, oder was?
Am Busbahnhof. Der alte Ikarus kommt um 20 vor 11 und hängt das Schild raus Lublin Lwow. Gar nicht so'n Gedränge wie vorausgesagt, gar nicht so viel Gepäck die Mitfahrer bisher, der ruhige Fahrer will immer in Ruhe was rauchen, dann kommen immer gerade Neue, deren Gepäck er verstauen muss. Gibt Telefonnummern, erklärt Wege. Ich glaube, er spricht ukrainisch.
"Madridu?", fragt jemand. Der Fahrer zwinkert mir zu, als eine Studentin einsteigt. Diese eleganten alten Damen im braunen Pelz, nicht nur Mantel, auch Hut, Schal und Handschuhe.
Jetzt eine mit glitzernder Mütze, sechs großen Paketen, Moment im Orient, ich würde mich niemals trauen das zu fotografieren.
quer - 9. Mär, 23:23
Viele Männer eilen hier grad mit einem Blumenstrauß nachhaus, viele Frauen an der Haltestelle halten eine Stielblume in der Hand, der Frauentag ist auch In Polen nicht abgeschafft, im Nachbarland nach Osten sogar immer noch Staatsfeiertag, "sie mussten ja was einführen, nachdem sie die Kirchenfeiertage abgeschafft hatten", meint Herberts Frau Dorota dazu. Von Clara Zetkin weiß hier niemand was?
Trotzdem auch mein Gruß landauf landab an dieser Stelle, eigens nochmal an den Hotspot zurückgeeilt bin ich -
quer - 9. Mär, 16:57
"Das schale Bauholz des Nichts", lese ich bei Bruno Schulz. Lesemorgen, will 'Das reiche Land der armen Leute' noch zurückgeben, eh ich fahre, eine Sammlung mit Geschichten aus Galizien, über Jahrhunderte weg, aus verschiedensten Gruppen und Klassen, huzulische Naturgeistsagen neben Lob der belesenen Armut der Schtetl-Juden (Manes Sperber), k.u.k.-Adligen-Satire (Sacher-Masoch), Massaker von ukrainischen Landarbeitern an polnischen Junkern (Messenhauser), eine wunderbare Geschichte seiner Geburt von Alexander Granach, und und...
Wie sie alle die Peripherie betonen, die von Galizien erzählen, Randexistenzen, aber wie dieser Rand dann doch ein geheimes Zentrum war - als hätte sich der Stoff einer Jacke umgestülpt und man trägt plötzlich das Innere außen. Friedlich war es ganz sicher nicht, am ehesten hier, wo ich grade noch bin, in Lublin soll es den Hass zwischen Ruthenen (=Ukrainern) und polnischem Adel nicht so gegeben haben, weil hier allen ihr Auskommen blieb, und die jüdische Stadt war zu etabliert und erfolgreich für Progrome. Aber wo ich hinfahre, von Lemberg an, war die Buntheit wohl mehr eine Decke, unter der man sich gewärmt hat, die aber einfach runterfiel, wenn die Gegensätze zu heftig wurden. Die sicher, da sind sich die Autoren einig, ohne sich zu kennen, nicht aus unterschiedlichem Glauben gekommen sind, sondern aus dem verschiedenen Verhalten der Armut, dem Besitz, den Herausforderungen des Mangels gegenüber. Da hat jede Gruppe ihre Tricks und Ohnmachten gehabt und nicht gewusst, welchen Platz im Spiel sie eigentlich einnahm. Denn drunter lief ein Geflecht aus machtpolitischen Plänen, die meistens trotzdem gescheitert sind. Hätte die Mehrheit der Menschen es gekannt, kennen wollen, wäre Schwäche vielleicht sofort zu Stärke geworden. Was es da alles an Möglichkeiten gegeben hat!
Lesen, manchmal reden, Atem holen, gerade geht so der Tag. Ein bisschen Organisieren auch, wenn es zuviel werden sollte, will ich umdrehen.
Wie zumindest der Faschismus hier die alten Gegensätze aufgespürt hat und so getan, als wolle er die Untersten befreien, um (mit ihrer Hilfe und danach sie) zu vernichten, das wird mir langsam klar. Als reine Eroberer kamen diese Deutschen nicht. Die Soldaten und Kommissare des anderen Riesenbefreiungsblocks wohl schon eher. Ob sie das selber wussten, waren sie deshalb ehrlicher? Wird eine Weile brauchen, davon ein bisschen mehr zu verstehen - oder die Augen erschöpft zum Himmel und: "Schales Bauholz des Nichts"...
quer - 8. Mär, 15:53
Im Rentnerlokal, sozialistisches Echo, bei den Geflügel-Berufen. Es ist Samstag gegen Abend, in Schwüngen streben Gruppen rein, die Musikbox brachial laut, eben hat schon mal eine Alte vibrierend mitgesungen und die Technik übertönt. Das Essen immer noch gut und billig, die alte Kellnerin immer noch so zuvorkommend, sie kann auch anders, und falls ich nachts hier vorbeikomm, werde ich Wodka trinken und vielleicht anner Schlägerei knapp vorbeischrammen. Hier saßen wir im Sommer ein paarmal zu fünft, und die Bassdrum donnerte so wie jetzt.
Die Bassdrum der Bluesband abends ist scharf und hell, die Gitarre laut sägend, der Bass federt agil durch die schönen altbekannten BoogieWoogie-Stücke, er bringt mit dem leisen freundlichen Sänger die Wärme in die Musik. Aber über allem herrscht die Gitarre, prägt den Rhythmus, kommentiert jede Einzelheit, schwingt sich alle zwei Strophen zum Solo hoch, nein, das Singen und überhaupt in Strophen einteilen ist eigentlich für die Gitarre gemacht, Pause zwischen den Solomonologen. Dabei ist der Gitarrist kein Selbstdarsteller, freundlicher schmaler junger Mann, er bezieht das vielleicht gar nicht auf sich. Erfüllt eine Form, wie der Stehgeiger vor 100 Jahren eine erfüllte oder der Soloposaunist in anderen Gegenden. Das neu bürgerliche, ein bisschen mit sich selbst beschäftigte Publikum im kühlen, nicht billigen Keller erwartet es genau so, beklatscht die Soli, freut sich an den Eskapaden und Ausschmückungen, wie es sich an Verzierungen eines Pianisten bei einem Klavierkonzert auch freuen würde. Manchmal geht der Gitarrist unisono mit den einfachen Akkordtönen des Bassisten mit, der sein Bruder ist. Dann kriegt die Musik plötzlich einen Schub, der sie sonstwohin bringen könnte. Ein Zucken geht durchs Publikum, Tanz, Aufstand. Das nächste Solo entschärft dann wieder.
Das wilde meditative Moment habe ihm ein bisschen gefehlt, meinte Herbert nach dem Konzert. Auch das hätte dieses Publikum vielleicht ganz woanders hin gebracht.
Gemeinschaftsmusik auf die allergröbste Weise ist im billig-guten Rentnerlokal längst Trumpf, als ich da noch vorbeischaue spätnachts. Da hätte jetzt keine Verzierung mehr eine Chance. Auch keine Meditation. Es sei denn, jemand schaffte es, alle auf einen Schlag einschlummern zu lassen. Ganz friedlich. Wer das in dem Holzhackerlärm hinkriegen könnte, wäre echt ein Meister seiner Musik.
quer - 7. Mär, 16:43
Lublin hat knapp 400.000 Einwohner, 100.000 davon sind Studenten. Als wir vorletzten Sommer hier waren, haben die Semesterferien den Eindruck einer Jugendstadt nicht so aufkommen lassen, da waren einfach nur ein paar junge Leute mehr unterwegs als sonst.
Jetzt quillt das Univiertel von ihnen über, auch die tief mittelalterliche Innenstadt quillt. Und wie in Warschau scheinen in Lublin doppelt soviel Mädchen wie Jungs zu studieren (vielleicht zieht das die Aktion-Sühnezeichler und deutschen Ersatzdienstleistenden her?).
Trotz ihrer Überzahl haben die jungen Akademiker noch keine 'scene' kreiert, gibt es bisher kein Zentralorgan, das für sie entscheidet, was angesagt ist, kein arrogant formuliertes vitales Selbstbewusstsein. So hat es mir jedenfalls in einer übervollen Kellerkneipe Toby, ein junger Mensch aus Hamburg erzählt (und den angenehmen Gegensatz zu Hamburg beschrieben), der nach seinem Ersatzdienstpraktikum hier einen Jahressprachkurs angehängt hat und 'halber Pole' sein möchte, was ich in dem Moment gut verstehe. Nein, insgesamt habe die Unistadt immer noch den Ruf der fleißigen Provinz, man sage: Polen feiert, Lublin schläft.
Lublin ist also in vielem auch eine Gegenstadt zu Görlitz, wo man auf einen jungen Menschen zehn Rentner trifft. Und so sympatisch mir Görlitz immer war, Lublin soll Gegenstadt bleiben, denn wie Görlitz bewirbt es sich um die Ehre (und das Geld) der europäischen Kulturhauptstadt, die Görlitz bekanntlich gegen Essen verlor, wie es Lublin 2016 auch passieren kann, gegen Wroczlaw zum Beispiel, was ungerecht wäre, denn Breslau hat schon so viel - aber so ist die Welt andererseits.
Dies letzte schon aus einem Gespräch mit Herbert Ulrich, der seit 1977 hier lebt, als DDR-Hippie nach Ostpolen kam, fester Bestandteil des kulturellen Hinundher wurde, Übersetzer, Vermittler, jemand, der Menschen leicht und unversehens zusammenbringt.
Er hat mich im 'Haus des Lehrers' im Univiertel eingemietet, holt mich am Bahnhof ab, schon sitzen wir in einer Taxe, die ein graumelierter Mitfünfziger bezahlt, der, wie Herbert mich leise informiert, fürs Kulturamt arbeitet, Herbert hört ihm zu, sagt dann "Phillip Glass, Lori Anderson, Lou Reed", jedesmal tippt, während ich staunend zuhöre, der Kulturmanager sich an die Brust, "die werden hier im Sommer zusammen auftreten", der Kulturmanager strahlt, den Etat habe er grad in Warschau bewilligt bekommen. Der Taxifahrer fragt etwas dazwischen, alle lachen, nur ich weiß nicht, worum es geht. "Ob er das Geld etwa da habe, dann könne man ja einen kleinen Umweg in den Wald machen..." Manchmal wäre es doch schön, mehr zu verstehen, denke ich.
Die Musiker, bei denen wir vorletzten Sommer wohnten, sind auf Tournee, zu der Bluessession, die dann nicht stattfand und zu der Herbert mich verabredet hatte, kamen sie nicht - dafür sind andere da, man ist sich hier, erzählt auch Toby, ein bisschen aus den Augen, aus dem Sinn.
Die Stadt, wie ich sie tagsüber durchstreife, erinnert gleichzeitig sehr und gar nicht an die aus dem Sommer, das andre Wetter macht viel aus, dann kommt auch Sehnsucht auf nach dem Zusammensein damals, und gestern spät abends, nach zwei Ausstellungseröffnungen, small talks mit Präsidenten und einem schönen Abend mit Herbert allein zum Essen in einem Altstadt-Ratskeller, während ein Pianist mit Sonnenbrille (ich glaube, pseudo-blind) einem Flügel alte Schlagerweisen entrang, zum ersten Mal eine Art wohliges Verlorengehen im Gestern. In einer alten Zeit, als hier eines der jüdischen Zentren war. Als sich hier und weiter östlich Überlieferungen begegnet sind und vermischt haben, die in dieser Mixtur unsern Alltag bis heute prägen. Obwohl hier davon fast nichts mehr übrig ist nach dem Durchmarsch von zwei Kolossaldiktaturen. Die aus den Überlieferungen, die sie zerstören wollten, andererseits auch entstanden sind.
Und der Pianist spielt weiter, egal, was passiert. Und die Kellnerin lächelt, ob's noch was sein soll. Ein letztes noch.
Das Haus des Lehrers bietet Samstag - Sonntag Frühstück nur zwischen 7 und 8 Uhr. Ich fange an, mich dran zu gewöhnen.
quer - 6. Mär, 14:11
Der einzige Raucher (und Biertrinker) im Abteil ist nicht gut angesehen. Die Tür wird aufgelassen, eine Dame geht telefonierend und Luft fächelnd auf den Gang, aber wir sitzen im Raucherabteil. Ein Mann reißt bei der zweiten Zigarette das Gangfenster auf, jetzt öffnet der Raucher ein zweites, und eine umständliche Alte, die als letzte kam, nimmt das alles zum Entsetzen der andern zum Anlass für einen Gesprächsversuch. Man kann sich in den Abteilen nicht aus dem Weg gehen wie im Großraumwagen, ich erinnere mich gut an den Zwang zum Miteinander,die Reisegruppenlust, die bestimmte Leute ausstrahlten und heute vermissen. Die Biertrinker schon tagsüber, die das alles so aufregend finden, dass sie zur eigenen Sicherheit gern jeden mit reinreissen würden in ihre vage Ahnung, dass schnell mal was passieren kann unterwegs, und dann ist man nicht mal zuhause.
Wieviel Leute haben sich bei uns das Rauchen abgewöhnt, als die Bahn es verbot? Ich kenne zwei. Auch hier ist Nüchternheit modern, beschäftigte Unauffälligkeit, versierter Imgang mit Laptop und Handy. Der technologische Graben zwischen Niemci und Polen ist zu, jedenfalls, was die Großstadt betrifft. Man kriegt hier und sieht alles, was es bei uns gibt.
Ünrigens hat KFC Warschau erobert. Rossmann ist mehr präsent als in Berlin, und die IngDiba-Bank. Alt und wild sind in der Stadt die Straßenbahnen, oft voll, sie kriegen gut Tempo drauf und nehmen wenig Rücksicht auf den Rest der Strecke. Für 16 sl fährt man drei Tage flat, auch mit der leise gleitenden U-Bahn. Am ruppigsten sind die Busse, schwer, ihre Streckenführung zu finden, Pläne gibt es nicht (vielleicht, wie alles, im Netz).
Ich sollte übrigens betrogen werden, zweimal. Erst in einem Café, wo ich den fehlenden 100er-Schein Wechselgeld so erstaunt-entspannt einforderte, dass eine zweite Tresenfrau gleich grinsend zustimmte: Ja, der kriegt noch Geld. Und dann beim Geldwechseln, wo ein besonders guter Kurs angezeigt war, aber klein das "sell", also Verkauf von Euro, während der Ankauf phantastisch mies (und winzig erst im Laden) verzeichnet war. Ich stand mit der kleinen Summe Słoty für 200 € fassungslos da, sah dann erst die Zahlen und rief: "No, I won't do that." Die absolut gelangweilte Tusse am Schalter fragte, ob ich nicht lesen könnte. Ich wiederholte meinen Satz, sie starrte mich an, woraufhin ich ihr den Abrechnungszettel auf den Schoß warf, eine Pause entstand, dann schob sie mir die 200 Euro wieder zu. Ich hätte jetzt abhauen können mit meinem und dem viel zu wenigen polnischen Geld zusammen. Ich glaube, in dem Monent hat sie das auch gedacht. Aber als der brave blöde Tourist, als den sie mich eingeschätzt hatte, gab ich ihren Anteil zurück. Hätte andererseits nicht gewusst, was tun, wäre sie stur geblieben. Hilft die Polizei einem überhaupt bei sowas?
Wäre es nicht passiert, ich hätte es nicht geglaubt.
Jetzt eilt der Zug Lublin zu, Rasen wäre geprahlt, es geht voran. Und die redselige Alte und sogar der moderne Mitfahrer, der vorhin das Fenster aufriss, alle haben mindestens einmal geraucht, schuldbewusst Luft reingelassen, den Gang bevölkert, jetzt qualmt der Waggon. Aber wir sind pünktlich da.
quer - 5. Mär, 08:55
Als ich hinfuhr, schien die Sonne. Ins Uprising Museum. Uprising = Aufstand.
Es geht hier um den Warschauer Aufstand zwischen August und Oktober 1944. Es geht nicht (oder nur nebenbei) um den Aufstand im Warschauer Ghetto 1939.
Das Motto zur Revolte steht überm Eingang, es stammt von einem Delegaten, Jan Stankowski:
"Wir wollten frei sein und diese Freiheit niemandem verdanken."
Delegat, Ghetto, Revolte, Heimat-Armee (Home-Army), Exilregierung: Mir fehlen Wissen und Hintergrund für die Vorgänge, die Erklärungen sind in Englisch, wenn ich also eine Kurzfassung meines Besuchs versuche, werden Irrtümer und Unverstandenes selbstverständlich sein.
Das Uprising Museum ist in einem alten renovierten und hochgerüsteten Busbahnhof untergebracht, das Dokumentationsvorhaben komplex, technisch auf hohem Standard, man muss Zeit mitbringen und seine Sinne bereithaben. Man muss sich auch abschotten können, denn andauernd werden Schulklassen durch die Räume und Verliese geführt und die Pädagogen sind laut (die Jugendlichen eher still).
Im großen Empfangsraum schlägt zudem ununterbrochen ein ruhiges, aber lautes Herz, für die toten Kämpfer und Überlebenden, wie es heißt, und dazu sind verschiedene Klangteppiche aus Originaltönen ausgelegt, einer davon ein furchtbarer Bombeneinschlag, sodass man vielleicht gebeugt vor einem Kästchen steht, in dem ein Video läuft, auf dem eine alte Frau von ihrer Tätigkeit als Kurierin erzählt, ein Foto neben dem Kästchen zeigt sie in jungen Jahren zusammen mit gleichaltrigen Kämpfern, die aber genauso eine Pfadfindertruppe sein könnten, und man hört gleichlautend zum Originalton den Herzschlag, dann die Detonation, und wenn es danach etwas still ist, skandiert ein Lehrer einen offenbar schrecklichen historischen Fakt, zum Auswendiglernen. "Wir sind direkt mit unsrer Jugendwandergruppe in den Untergrund gekommen, uns blieb keine Wahl", sagt leise die Frau auf dem Video (laut englischen Untertiteln), und ich wünsche mir in dem Moment alles andere weg.
Das gehört vielleicht auch zum Konzept dieses Meistermuseums, man wird direkt reingezogen. Elfjährige probieren die Gewehre, die ihre gleichaltrigen Uropas damals bedienen mussten und kriechen eine halbe Stunde durch das Kanalsystem, in dem die lebten.
Wie eine Vulkaneruption, sagt Jan Nowak-Jezioranski, der als Kurier zwischen Warschau und London arbeitete, war der Aufstand nach vier Jahren Erniedrigung, "sei ein Schwamm, vergiss alles, was du weißt und denkst, beobachte und übermittle einfach jede nur mögliche Information". So hatte man ihn instruiert. Er musste den Warschauer Mitstreitern dann überbringen, dass es politisch klüger wäre, stillzuhalten und ein Aufstand die Politik des Westens keinen mm ändern würde.
Man schlendert weiter, stellt Fragen, die sich irgendwann beantworten bzw. zu größeren Fragegruppen anwachsen. Der Museumsbesuch ist wie das Erkunden dieser Stadt selbst, dieser Zeit auch.
Alltagsleben in Warschau nach der Besetzung durch Deutschland:
"Städt. Verkehrsbetriebe Warschau: Vorzeigender Kowski, Jan ist berechtigt, einen Triebwagen der Strassenbahn in Warschau zu führen. Nur gültig mit dem Personalausweis Nr. 6390."
Vor der Besetzung hatten ca. 2000 Deutsche in der Stadt gelebt. Jetzt wurde eine eigene Straßenbahnlinie 0 nur für sie eingeführt, es waren 1942 schon 20.000 Glücksritter. Es gibt ein Foto, wo deutsche Soldaten aus der 0 steigen, einer mit dem breiten Staunen im Gesicht, als habe er gerade ein Schnäppchen geschlagen.
Wie im Aufstand des 19. Jahrhunderts wird das Tragen von Juwelen in Warschau ein Widerstandszeichen. Dies ist nach vier Jahren Besatzung auch der verzweifelte Aufstand des Bürgertums, sich nicht völlig demütigen zu lassen, z.b. mit Anzeigen wie:
"Spare bei der deutschen Post Osten" (sich nicht so elend machen zu lassen wie die Juden, Zwischenfrage? Oder war der Aufstand im Ghetto einer der Proleten?) Auf jeden Fall kein polnischer Aufstand.
Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die 'Heimat-Armee', Schild eines polnischen Untergrundstaats zwischen 1939 und 44. Schon im Sommer 39 hatte Molotov, Stalins Außenminister, Polen für nicht existent erklärt, man hoffte sich das mit Hitler aufteilen zu können.
Auf einer Seite des großen Empfangsraums werden jetzt die Rekrutierungen und Aktivitäten der Heimatarmee dargestellt ( das geht in den nächsten Räumen weiter bis hin zu spannenden Anekdoten der Piloten und der Untergrundradiomacher), an der anderen Wand werden Privatmenschen vorgestellt, die in den Widerstand gerieten (alle gerieten rein), Priester, Handwerker, Schüler, besondere Geschöpfe wie die Philosophiestudentin Edith Stein, die sich dann Teresa Benedikta vom Kreuze nannte und bis zu ihrem Tod in Auschwitz ganz dicht bei jüdischen Freunden aus Warschau blieb.
In Nov 42 tut sich die Heimatarmee mit der Roten Armee zusammen, es gibt die Operation Burza (Sturm) in Ostpolen. Militärisch erfolgreich, wird diese polnische Armee gleich anschliessend von der Roten entwaffnet, die Anführer verhaftet - ("noch ist Polen nicht verloren" läutet gerade eine Glocke) - umstandslos sind die Aufständischen der neue Feind der nächsten Grossmacht.
Dieses Museum ist auch eine Darstellung der Verarschung Polens durch eigentlich alle Nachbarländer. Aus diesem Blickwinkel ist die Geschichte hier zusammengestellt (anders als in Kolberg, wo die Sowiets als Befreier gezeigt werden, dagegen wird das russisch-polnische Bündnis von Chelm 1944 hier in Warschau als Verräterveranstaltung bezeichnet: Die polnischen Kommunisten haben den eigenen Widerstand verächtlich gemacht für Stalins Großmachtpolitik. Diese zwei Sichtweisen stehen in Polen wohl bis heute nebeneinander). Aber auch die westlichen Alliierten haben sich nicht gerührt, um die große Balance der Nachkriegszeit nicht zu gefährden. Die Deutschen wurden als barbarische Besatzer nach Kriegsende eher noch belohnt, und die Aufständischen von Warschau wären sicher gern ein Teil der amerikanisch-englischen Zone geworden, die Exilregierung saß ja schon in London.
Mir bleiben Fragen, die nach dem Verhältnis zum Ghettoaufstand ist erstmal die größte. Zum Ende das Interview mit einem Deutsch-Belgier, der mit 17 in die Wehrmacht und gleich nach Warschau in den Aufstand kam. Erzählt u.a. von der SS- Brigade Dirlewanger, die sich ausschliesslich aus Kriminellen und amnestierten politischen Gefangenen zusammensetzte, die alkoholisiert aufs Irreste tätig waren. Sie hatten nichts zu verlieren. 500 Kinder töteten sie einmal nach Schulschluss einfach so, nach dem Befehl Dirlewangers: "Nehmt die Kolben, spart Munition". Ebenso die Idee der mit Menschen garnierten Panzer (als Kontrast das Zimmer des leise sprechenden Mannes aus Belgien, voll Plüsch, Deckchen, festen Vorhängen, Gegenwelt bis heute, während er entsetzt davon spricht, wie er bei vielen kleinen Gelegenheiten brennendes Menschenfleisch riecht).
Die Szene, wie er als junger Katholik zaghaft zu einem Kellergottesdienst dazutritt, und der Priester gibt ihm selbstverständlich die Kommunion. Tage später sieht er den gefangenen Priester, SS-Leute urinieren auf sein Kreuz. Er schafft es mit Freunden, den Mann loszukriegen.
Eine bestimmte Sorte Atheismus, der sich wertlos selbst gefällt, ist widerlich. Dazu passt: Himmler beim Besuch in Warschau auf einem Foto sieht sehr modern, zierlich-intellektuell geschoren, fast brechtisch aus, ganz der hochgezüchtete Stadtmensch, der an nichts glaubt außer die Macht und sich seine Bestien hält. Widerlicher als die selbst, die sich nicht zusehen.
Viel mehr viel mehr, aber hier ist jetzt Schluss. Als ich Stunden später aus dem Museum kam, schneite es. Das passte gut.
quer - 4. Mär, 13:44