Freitag, 26. März 2010

Lviv zurück

Manchmal geh ich irgendwo zweimal hin. Wenn mir jemand sympathisch war. Wenn mir was Rätsel aufgibt. Heut nicht, ich probiere am letzten Abend ein fremdes Café in der Altstadt. Sie waren etwas überrascht, dass ich essen wollte. Aber überall sind die Speisekarten reichhaltig, und dass ein Lokal sich Kafe nennt, hat eher konzessionelle Gründe. Leider ist der Salat mit Rinderherz aus. Aber Zunge auf Käsescheibchen, Kohl und Majonnaise ist zu kriegen, aparte Vorspeise. Gute Einleitung, aber zu nichts Größerem hin, denn abschließend will ich nur ein Tellerchen Leber mit Zwiebeln. Leichtes Kopfschütteln, als Alleinreisender neigt man ja dazu, jede Regung der andern auf sich zu beziehen. Aber irgendwann weiß man es, redet es sich aus und kommt schließlich dazu, auf nichts mehr zu achten. Dann lacht man den Handtaschenräuber freundlich an: Ja, nette Idee, aber dich hab ich mir grad  nur ausgedacht, weiß ich, blöd von mir... 
Hier sitzen keine Fremden. Man merkt es an der Ruhe. Ukrainer sind streckenweise sehr ruhig. Wenig Streit und Hektik, und wenn, dann dreht eine Person auf, was die andern dazu bringt, nur noch stiller zu werden.
Was nicht heißt, das Harmonie herrscht, eher Abgrenzung. Nicht erstaunlich bei der Enge, in den Verkehrsmitteln, den Wohnungen, auf den Stadtstraßen.

Die Fahrt von Cernivci hierher, auf der ich ganz vorn saß, ein idealer Platz, solang sich nicht ein verbitterter angetrunkener Alter neben mich gesetzt hatte mit zwei prallvollen Plastiktüten Obst (obwohl hinter mir jede Menge Platz gewesen wàre), der dann die ganze Zeit drängelte, mit dem Fuß, dem Ellenbogen, irgendwas lallte, wichtigtuerisch von mir verlangte, dem Fahrer mein Ticket zu zeigen (weil er seins zeigen sollte) - es wurde erst wieder schön, als der Suffki aufgab, sich hinter mich setzte (wobei einige seiner Äpfel ins Rollen kamen, Pech). Achteinhalb Stunden für 290 km, ideal? Man wird bescheiden.

Fahrt durch ein leuchtendes Frühlingsland. Der erste Storch gegen 10 bei Kolumya.  Weitere folgen - der Sommer fàllt nicht aus!
Die Äcker werden gereinigt, es raucht, die Feuer kommen manchmal bis an den Straßenrand. Toll würziger Geruch. 
 
Mit einem Pferdefuhrwerk auf's Feld. Stiefel bis an die Knie, Kappe auf, Zügel in der Hand, ein kleines Holzbrett über dem Mist, der gefahren wird. Die Frau weiß er hinter sich, sie schaut rückwärts ins Gelände.  

Auch hier vor jedem größeren Ort ein Kreisverkehr. Die Vorfahrtsregel ist anders, im Kreis muss man warten. Es kommt mir unbeholfen vor, aber ich will mich nicht einmischen. Manchmal stehen geborstene Autoreste auf Rampen hochgehievt wie Denkmäler an den Ausfahrten.

Die Knospen an den Pflanzen sind nur zu ahnen.

Dann etwas Aufregung wegen des möglicherweise fehlgebuchten Zimmers, und die große Freude, eins im 8., obersten Stock zu beziehen mit dem prächtigen Blick.  Was kann schöner sein als eine langsam dunkler werdende Stadt von oben, Musik dazu, etwas Süßes?

Nach zwei Wochen abends die gleichen Straßen hoch, damals verschneit und glatt, jetzt getaut, und Sommer liegt in der Luft. Das kann ja morgen schon wieder rückgedreht sein, aber die Störche sind schon mal da.

Auf dem Friedhof Lemberg: Gräberlandschaft. Verschiedene Zeiten und Völker. Wie deutsche Namen ins Polnische übergehen : "Jozef Andrzej Flechner, 12.3.1850, 7.9.1913 - Emilia Flechnerowa, 1857, 8.1.1921"

Im Park des Museums für Volksarchirektur halten alte Frauen
die nachgebauten Bauernkaten in Ordung in der standesgemäßen Kleidung der Zeit. Aber um 17 Uhr ziehn sie sich Mäntel über und gehn telefonierend zur Straßenbahn.

Lese vom Bildhauer Matvej Genrichovič Manizer, der überall im Land Lenin- und Ševčenko-Statuen schuf -: Ein beruflich glücklicher Mann, denn in der Westukraine wurden die Lenindenkmäler nach 91 durch ähnlich viele Ševčenko-Statuen ersetzt.

In der Strassenbahn vorn, Fahrerblick: auf diesen Gleisen gilt das Eich-Wort von den windschiefen Geraden.

Zweimal Musik: Ein Geigerpärchen im Park, Bach und was Romantisches, was beides mit dem Glanzwetter gut zusammenstimmte, dann eine Bluesband, euphorisch gefeiert, da war es mehr der Schwung. Es tut immer gut, dabei zu sein, wenn Musik gespielt wird.

Im Frühstückssaal eben eine schicke, ketten - und handybehängte Frau, im Tross einer Geschäfts - oder Bandclique, die hier grad einströmt, hat sich ihren Teller voll geholt, nimmt Platz, und eh sie etwas isst, bekreuzigt sie sich schnell zweimal, unauffällig, und küsst ein Medaillon, das sie um den Hals trägt. Wer nicht zufällig genau hinschaut, sieht nichts. 
 

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