Fahrt nach Lemberg
Am Busbahnhof. Der alte Ikarus kommt um 20 vor 11 und hängt das Schild raus Lublin Lwow. Gar nicht so 'n Gedränge wie vorausgesagt, gar nicht so viel Gepäck haben die Mitreisenden, der ruhige Fahrer will immer in Ruhe was rauchen, dann kommen immer grad Neue, deren Gepäck er verstauen muss. Gibt Telefonnummern, erklärt Wege. Ich glaube, er spricht ukrainisch.
"Madridu?", fragt jemand, von Madrid? Der Fahrer zwinkert mir zu, als eine Studentin einsteigt. Diese eleganten alten Damen im braunen Pelz, nicht nur Mantel, auch Hut, Schal und Handschuhe, alles in eins.
Jetzt eine mit glitzernder Mütze, sechs großen Paketen, Moment im Orient, ich würde mich niemals trauen das zu fotografieren. Es steigt noch einer zu, der sofort beim Fahrer sitzt, sie unterhalten sich lebhaft, wobei ich rauszuhören glaube, dass der Chauffeur ('Schoffer' sagt man) darüber seufzt, wie wenig mitfahren. Wir sind nur zehn. Der Preis wurde kürzlich von 30 auf 45 sł hochgesetzt, vielleicht lohnt der Schmuggel dann nicht mehr. Es geht zügig voran, immer mal wieder muss der alte Motor kühlen, dann geht auch die Heizung aus. Pinkelpause, einiges Gepäck eines Pärchens wird neu hinterm Motor verstaut. Kurz danach im letzten Ort vor der Grenze steigen nochmal 15 Frauen mit Marktgepäck zu und ein irendwie verschlagen wirkender Junge, es geht um den Preis, der Fahrer, plötzlich munterer, besteht auf soundsoviel słoty, die Frauen legen zusammen, es reicht nicht ganz, er schimpft.
Dann Grenze. Gravitätisch der polnische Beamte, "prosche" fordert er meinen Pass, den ich sowieso hinhalte, er geht, kommt wieder, von mir will er wissen, wohin, ich sage "Lviv", der Gesprächspartner des Fahrers wiederholt es, ich kriege mein Dokument zurück. Der Gesprächige hilft mir jetzt, in aller Eile einen Waschzettel auszufüllen für die ukrainische Seite, dort möchte man vor allem wissen, wo ich absteige, und Zöllner und Helfer sind erstaunt, dass ich die Buchung von HRS vorzeigen kann. Wie ein Streber.
Alles geht sehr schnell, keine halbe Stunde, beim Weiterfahren eine kilometerlange Schlange von Autos, die nach Polen reinwollen. Schicksalsergebenes Warten vor den Schengen-Schlagbäumen. Auf dass unsereins ruhiger schlafen kann.
Sobald die Grenze passiert ist, geht ein Geschichtenerzählen, Lachen und Schimpfen los, Polacki ist eins der Hauptworte, ich vermute stark, dass die europäische Aufgeblasenheit der Polen an der Grenze ein Thema ist, weiss ja vom ruhigen Grenzverkehr vorher, wie die Ukrainer jetzt ausgesperrt sind. Ukrainisch ist eine buntere, scheinbar schnellere, irgendwie kullernde Sprache, jedenfalls hier in der Gegend. Während ich mit meinem Helfer radebreche, schieben sich draußen Pferdefuhrwerke mit Mist beladen oder Menschen vorwärts durch Matsch und Eis und Schlaglöcher. Viele Holzhäuser hier, zu meiner Beruhigung sind die Ortsschilder zweisprachig, kann ich also noch lernen. "it's a problem in the head" sagt mein Gesprächspartner gern, er ist Tierarzt und kommt von einem Kongress aus Posen zurück, die ukrainischen Menschen seien in Ordnung, nur die Führung in Kiev (er sagt 'Kiuh, das v=u, klar, auch Li-u statt Lviv), die sei noch postkommunistisch und schlecht, die habe die Umstellung nicht auf die Reihe gekriegt, "problem in the head, you know?" Und sie arbeiteten immer noch Moskau zu. Er lacht viel und gern. Wiederholt sich oft, ein kleiner agiler vielleicht 35jähriger. Kinder hat er keine, ich erfinde noch eine Tochter dazu, er ist fast gerührt.
Als an der Grenze der ukrainische Zöllner wiederkommt, bricht er eine Spottrede auf seine Regierung (auf englisch) mitten im Wort ab, sagt keinen Ton mehr, bis der Beamte raus ist. Ich versuche das Gespräch zu erweitern mit: wer ist gutfreund mit der Ukraine. Norwegen, erfahre ich, Litauen, Portugal, Holland, Deutschland eher nicht, weil wir uns zu dick mit den Russen machen, und Frankreich nicht wegen irgendeiner Nähe zu den Moslems. Eine seltsame Weltsicht, die für mich noch weniger durchsichtig wird, als der Mann irgendwann auf seine Zeitung zeigt und sagt: "polish newspaper, polish jewish newspaper, good Information, but...", macht eine wegwerfende Bewegung dazu. Polnisch-jüdische Zeitung? Als er aussteigt, ist er mir eher ein Rätsel geworden. Wir verabschieden uns herzlich.
Lviv dann ein brodelnder Vorabendkessel, ich greife das Gepäck, tausche Geld und suche mich ohne Stadtplan zum Hotel. Das liegt erhöht an einem Park, mein Zimmer im 9. Stock hat Blick über die ganze Altstadt. Begeistert.
"Madridu?", fragt jemand, von Madrid? Der Fahrer zwinkert mir zu, als eine Studentin einsteigt. Diese eleganten alten Damen im braunen Pelz, nicht nur Mantel, auch Hut, Schal und Handschuhe, alles in eins.
Jetzt eine mit glitzernder Mütze, sechs großen Paketen, Moment im Orient, ich würde mich niemals trauen das zu fotografieren. Es steigt noch einer zu, der sofort beim Fahrer sitzt, sie unterhalten sich lebhaft, wobei ich rauszuhören glaube, dass der Chauffeur ('Schoffer' sagt man) darüber seufzt, wie wenig mitfahren. Wir sind nur zehn. Der Preis wurde kürzlich von 30 auf 45 sł hochgesetzt, vielleicht lohnt der Schmuggel dann nicht mehr. Es geht zügig voran, immer mal wieder muss der alte Motor kühlen, dann geht auch die Heizung aus. Pinkelpause, einiges Gepäck eines Pärchens wird neu hinterm Motor verstaut. Kurz danach im letzten Ort vor der Grenze steigen nochmal 15 Frauen mit Marktgepäck zu und ein irendwie verschlagen wirkender Junge, es geht um den Preis, der Fahrer, plötzlich munterer, besteht auf soundsoviel słoty, die Frauen legen zusammen, es reicht nicht ganz, er schimpft.
Dann Grenze. Gravitätisch der polnische Beamte, "prosche" fordert er meinen Pass, den ich sowieso hinhalte, er geht, kommt wieder, von mir will er wissen, wohin, ich sage "Lviv", der Gesprächspartner des Fahrers wiederholt es, ich kriege mein Dokument zurück. Der Gesprächige hilft mir jetzt, in aller Eile einen Waschzettel auszufüllen für die ukrainische Seite, dort möchte man vor allem wissen, wo ich absteige, und Zöllner und Helfer sind erstaunt, dass ich die Buchung von HRS vorzeigen kann. Wie ein Streber.
Alles geht sehr schnell, keine halbe Stunde, beim Weiterfahren eine kilometerlange Schlange von Autos, die nach Polen reinwollen. Schicksalsergebenes Warten vor den Schengen-Schlagbäumen. Auf dass unsereins ruhiger schlafen kann.
Sobald die Grenze passiert ist, geht ein Geschichtenerzählen, Lachen und Schimpfen los, Polacki ist eins der Hauptworte, ich vermute stark, dass die europäische Aufgeblasenheit der Polen an der Grenze ein Thema ist, weiss ja vom ruhigen Grenzverkehr vorher, wie die Ukrainer jetzt ausgesperrt sind. Ukrainisch ist eine buntere, scheinbar schnellere, irgendwie kullernde Sprache, jedenfalls hier in der Gegend. Während ich mit meinem Helfer radebreche, schieben sich draußen Pferdefuhrwerke mit Mist beladen oder Menschen vorwärts durch Matsch und Eis und Schlaglöcher. Viele Holzhäuser hier, zu meiner Beruhigung sind die Ortsschilder zweisprachig, kann ich also noch lernen. "it's a problem in the head" sagt mein Gesprächspartner gern, er ist Tierarzt und kommt von einem Kongress aus Posen zurück, die ukrainischen Menschen seien in Ordnung, nur die Führung in Kiev (er sagt 'Kiuh, das v=u, klar, auch Li-u statt Lviv), die sei noch postkommunistisch und schlecht, die habe die Umstellung nicht auf die Reihe gekriegt, "problem in the head, you know?" Und sie arbeiteten immer noch Moskau zu. Er lacht viel und gern. Wiederholt sich oft, ein kleiner agiler vielleicht 35jähriger. Kinder hat er keine, ich erfinde noch eine Tochter dazu, er ist fast gerührt.
Als an der Grenze der ukrainische Zöllner wiederkommt, bricht er eine Spottrede auf seine Regierung (auf englisch) mitten im Wort ab, sagt keinen Ton mehr, bis der Beamte raus ist. Ich versuche das Gespräch zu erweitern mit: wer ist gutfreund mit der Ukraine. Norwegen, erfahre ich, Litauen, Portugal, Holland, Deutschland eher nicht, weil wir uns zu dick mit den Russen machen, und Frankreich nicht wegen irgendeiner Nähe zu den Moslems. Eine seltsame Weltsicht, die für mich noch weniger durchsichtig wird, als der Mann irgendwann auf seine Zeitung zeigt und sagt: "polish newspaper, polish jewish newspaper, good Information, but...", macht eine wegwerfende Bewegung dazu. Polnisch-jüdische Zeitung? Als er aussteigt, ist er mir eher ein Rätsel geworden. Wir verabschieden uns herzlich.
Lviv dann ein brodelnder Vorabendkessel, ich greife das Gepäck, tausche Geld und suche mich ohne Stadtplan zum Hotel. Das liegt erhöht an einem Park, mein Zimmer im 9. Stock hat Blick über die ganze Altstadt. Begeistert.
quer - 10. Mär, 13:26