Montag, 8. März 2010

Lublin 3

"Das schale Bauholz des Nichts", lese ich bei Bruno Schulz. Lesemorgen, will 'Das reiche Land der armen Leute' noch zurückgeben, eh ich fahre, eine Sammlung mit Geschichten aus Galizien, über Jahrhunderte weg, aus verschiedensten Gruppen und Klassen, huzulische Naturgeistsagen neben Lob der belesenen Armut der Schtetl-Juden (Manes Sperber), k.u.k.-Adligen-Satire (Sacher-Masoch), Massaker von ukrainischen Landarbeitern an polnischen Junkern (Messenhauser), eine wunderbare Geschichte seiner Geburt von Alexander Granach, und und...
Wie sie alle die Peripherie betonen, die von Galizien erzählen, Randexistenzen, aber wie dieser Rand dann doch ein geheimes Zentrum war - als hätte sich der Stoff einer Jacke umgestülpt und man trägt plötzlich das Innere außen. Friedlich war es ganz sicher nicht, am ehesten hier, wo ich grade noch bin, in Lublin soll es den Hass zwischen Ruthenen (=Ukrainern) und polnischem Adel nicht so gegeben haben, weil hier allen ihr Auskommen blieb, und die jüdische Stadt war zu etabliert und erfolgreich für Progrome. Aber wo ich hinfahre, von Lemberg an, war die Buntheit wohl mehr eine Decke, unter der man sich gewärmt hat, die aber einfach runterfiel, wenn die Gegensätze zu heftig wurden. Die sicher, da sind sich die Autoren einig, ohne sich zu kennen, nicht aus unterschiedlichem Glauben gekommen sind, sondern aus dem verschiedenen Verhalten der Armut, dem Besitz, den Herausforderungen des Mangels gegenüber. Da hat jede Gruppe ihre Tricks und Ohnmachten gehabt und nicht gewusst, welchen Platz im Spiel sie eigentlich einnahm. Denn drunter lief ein Geflecht aus machtpolitischen Plänen, die meistens trotzdem gescheitert sind. Hätte die Mehrheit der Menschen es gekannt, kennen wollen, wäre Schwäche vielleicht sofort zu Stärke geworden. Was es da alles an Möglichkeiten gegeben hat!

Lesen, manchmal reden, Atem holen, gerade geht so der Tag. Ein bisschen Organisieren auch, wenn es zuviel werden sollte, will ich umdrehen.
Wie zumindest der Faschismus hier die alten Gegensätze aufgespürt hat und so getan, als wolle er die Untersten befreien, um (mit ihrer Hilfe und danach sie) zu vernichten, das wird mir langsam klar. Als reine Eroberer kamen diese Deutschen nicht. Die Soldaten und Kommissare des anderen Riesenbefreiungsblocks wohl schon eher. Ob sie das selber wussten, waren sie deshalb ehrlicher? Wird eine Weile brauchen, davon ein bisschen mehr zu verstehen - oder die Augen erschöpft zum Himmel und: "Schales Bauholz des Nichts"...

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