Dienstag, 9. März 2010

Splitter

Die Unsitte im polnischen Fernsehen, Filme, statt sie zu synchronisieren oder mit Untertiteln zu versehen, miterzählen zu lassen von einem Sprecher, während leise der Originalton drunterliegt, es hat etwas unsäglich Bräsiges. Üblich ist auch noch eine onkelhafte, vom Geschehen draußen ganz unberührte Stimme, sie gemeindet jede Fremdheit in eine Gemeinschaft ein, die es ohne die Verschandelung gar nicht gäbe. Skrupellos. Dass sich vielleicht jemand bei den Tonspuren was gedacht hätte: Scheiß drauf. Dass die Schauspieler mit ihren Stimmen als Instrumenten arbeiten: verzichtbar. Mich erinnert das vor allem an selbstgefälliges, völlig genügsames Gequatsche einiger 'scharfer Köpfe' bei uns, die ihren Anhängern was vom Pferd erzählen über die verrückte, aus den Fugen geratene Welt, in der sie sich natürlich auskennen und leicht und mit Witzigkeit gut und böse, blöde und schlau auseinanderhalten - schlau ist sowieso schon mal klar.
Das hat etwas so platt Tröstendes. Kann mir vorstellen, dass viele Polen die Filme nicht mehr anders sehen wollen, man wäre ja ganz allein gelassen ohne den Onkel, der sagt, wo's lang geht.

Zum zweiten Mal erschrocken, wie nah das Lager Maidanek bei der Stadt liegt. Wie ein übergroßes Sportfeld. Man muss doch die Schüsse gehört haben, Schreie, oder lief es ganz lautlos ab? Wenn man gewollt hätte, hätte man - wie heute.
In der Eiskälte lief ein Wachmann immer parallel mit mir mit, denn ich hatte einen Seitenweg ins Gelände gefunden, der nur aus Versehen offen war. Tat so, als würde ich den Wächter nicht hören, ging bis zur ersten Baracke, wieder zurück, und weil er nicht übers freie Feld rennen wollte oder durfte, traf er mich erst am Ausgang, den er hinter mir laut verriegelte. Montag Ruhetag.

Kurz im Gespräch gestreift: Der Hitler-Stalin-Pakt. Dass Polen ängstlich wird, wenn sich Deutschland und Russland verstehen. Die nicht beendeten Großmachtträume Russlands. Putins Berater Dugin, in Herbert Ulrichs Worten "sehr ökologisch, agrarisch, Machtmensch, antiamerikanisch, antijüdisch, angeblich russisch-orthodox, in Wirklichkeit ein praktizierender Sufi-Mönch." Auch Gorbatschow (Dorota spricht ihn wie alle polnischen Wörter auf der vorletzten Solbe betont aus: Gorbàtschow) sei Esoteriker gewesen, noch mehr seine Frau Raissa, "na, wenn's ihn locker gemacht hat..."
Warum so viele russische Künstler für Putin schwärmen, eine bekannte Jazzerin weiht U-Boote mit ihm ein und nennt ihn den neuen Zar, ich erwähne in dem Zusammenhang Kaminer, wenn auch die Verehrung, dem Stil des Verehrers angemessen, hier ein bisschen ironisch gebrochen ist. Aber warum? Ich sage: "Geld und Macht winken." Herbert sagt: "Nein, sie glauben daran." An ein Neues Russland, oder was?

Am Busbahnhof. Der alte Ikarus kommt um 20 vor 11 und hängt das Schild raus Lublin Lwow. Gar nicht so'n Gedränge wie vorausgesagt, gar nicht so viel Gepäck die Mitfahrer bisher, der ruhige Fahrer will immer in Ruhe was rauchen, dann kommen immer gerade Neue, deren Gepäck er verstauen muss. Gibt Telefonnummern, erklärt Wege. Ich glaube, er spricht ukrainisch.
"Madridu?", fragt jemand. Der Fahrer zwinkert mir zu, als eine Studentin einsteigt. Diese eleganten alten Damen im braunen Pelz, nicht nur Mantel, auch Hut, Schal und Handschuhe.
Jetzt eine mit glitzernder Mütze, sechs großen Paketen, Moment im Orient, ich würde mich niemals trauen das zu fotografieren.

Blumen

Viele Männer eilen hier grad mit einem Blumenstrauß nachhaus, viele Frauen an der Haltestelle halten eine Stielblume in der Hand, der Frauentag ist auch In Polen nicht abgeschafft, im Nachbarland nach Osten sogar immer noch Staatsfeiertag, "sie mussten ja was einführen, nachdem sie die Kirchenfeiertage abgeschafft hatten", meint Herberts Frau Dorota dazu. Von Clara Zetkin weiß hier niemand was?
Trotzdem auch mein Gruß landauf landab an dieser Stelle, eigens nochmal an den Hotspot zurückgeeilt bin ich -

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