Samstag, 27. Februar 2010

Kolberg 2ter Teil

Kolobrecz - größer noch, am Fluss landeinwärts, Center und Rathaus und Gassen auf alt, wie das Nicolaiviertel, muss Kahlschlag gewesen sein in der Stadt im Krieg.
Auch die Basilika wiederaufgebaut, wird genutzt, nicht nur von alten Frauen, auch jungen, die wie in Gesprächsunterbrechung in ein Gebet fallen, erfrischt wieder gehen. Ein Alter wirft sich gleich hinter'm Eingang auf die Knie, das muss weh tun. Wiederaufgebaut noch im Sozialismus, erklärt ein Fremdenführer einer deutschen Gruppe, er wirkt wie mitgebracht und sagt "der Pole" - ich stelle mich nicht dazu. 'Der Pole' hat die Kirche dann auch geweiht, ein Dutzend Bilder und Fotos erzählen es. Andere Fotos und Texte beschreiben die stalinistische Umsiedlungspolitik, eine Stelltafelausstellung, ich stehe lange davor und versteh leider kaum ein Wort.

So geht's mir auch in einem richtig hübschen Café mit richtig hübschen Menschen drin zu schwerer tragender Musik, sie schlürfen farbige Milchcocktails, auf die ich nur zeigen könnte, um sie zu bestellen, das ist mir zu doof. Also einen Espresso. Dann zum Museum of Polish Arms, in der deutschen Variante mit Museum Museum ausgeschildert, als müsse das Wort Waffe vermieden werden.

Kurzfassung:
Mit der Schlacht bei Cedynia 971 geht's los, Brandenburgia contra Slavenvolk, späteres Polen.
Ritterrüstungen, Pfeile, Lanzen, Stilette, rostige Fäustlinge, gebraucht gegen fortwährende Angriffe aus dem Westen, später auch von den Dänen, der Hanse, Schiffsplanken aus dem 17. Jahrh., erste Büchsen, Mantelsäcke, dann kamen die Schweden (es gibt eine Unterbrechung: Ein Handwerker bohrt an der Decke, ich werde gebeten, kurz zu warten, dann geht er laut seufzend, die Museumsfrauen bleiben zurück und eine stille Frage steht im Raum) -
Bomby Granaty zum Schleudern, später zum Explodieren, eine Geschichte der Signale, Hôrner, Lichter, und Sammlung schicker Uniformen, Pistoletten kommen in Mode, aber die strategischen Bewegungen der Armee sehen doch einigermaßen eingeschränkt aus. Kaum Land zum Verteidigen zeitweise da.
Schon sind wir beim 1. Weltkrieg, und danach ist mehr auszustellen, Polska Kawaleria mit ausgestopftem Pferd, Fernrohre, Funker, grüngrau schlicht überwiegt, Motorradboten, Ubior Oficera mit Pelzmantel, Stacheldraht, unversehens KZ-Kleidung. Eine 'Kolberger Zeitung' im Original: "Der Führer ebnet den Polen den Weg - Warschau aber lehnt ab!"
'Bekanntmachungen': Todesstrafe auf das Beköstigen von Juden und
Auferlegung von 10.000 sl. Strafe auf das Dorf Solki wegen Unterstützung russischer Kriegsgefangener.
Dann die Rote Fahne des Batalion Odra.
Allierte Uniformen jeder Art stehen in einem Schrank, die sowietische keineswegs vorneweg, ein Manifest Polskiego Komitetu wyzwolenia Narodowego aus Chelm, 22.7.44, burka-ähnliche Verkleidungen für die Männer in den Unterständen, dann der Sturm von Kiew über Lublin, Warschau, Bydgoszcz zur Oder und rein nach Berlin.
Kriegsarchäologie: am 4. März 45 bei Kolobrzeg abgeschossenes deutsches Flugzeug Focke-Wulf 190 F wird im Herbst 91 aus dem Meer gefischt, Taucher bringen die Devotionalien hoch: Soldbuch, Schießbuch, Zehnmarkscheine, Leistungsbuch, Zirkel, Lineal und Nagelknippser. Die ertrunkenen Feldwebel Horst Stobbe (Pilot) und Gefreiter Johannes Ewers (Mechaniker) werden am 9.1.92 auf dem polnischen Militärfriedhof beigesetzt.
Dann Kampf um Kolberg (deshalb der Kahlschlag draußen, die Pseudoaltstadt) am 18. März 45, ein Panoramabild mit Schlachtenlärm und Meeresgrimmen als Geräuschkulisse erzählt davon. Vor das Bild hat man an einem 'Strand' Fundstücke aus den Tagen damals hingelegt, zerrissene Helme, Reifen, Raketen, Mörser, Stiefelsohlen (man geht barmherzig mit den Gefühlen der Betrachter um).
Während ich noch gucke, ist der Handwerker wieder da und bohrt weiter. Auf einmal Fluch, Aufschrei, Stromausfall, still liegt der Schlachtmüll, das Tonband steht.

Draußen im Hof für die Kinder dann die eigentliche Überraschung: Jede Menge rostige Lastwagen, Kleinflugzeuge, Raketen, Barkas, Motorräder, alles, was ein Abenteuerherz begehrt.

Beim Weitergehen fällt mir auf, wie in Mode hier noch diese Freizeitsoldatenkleidung ist mit Tarnhosen und Netzhemden. An der Mole werden robbende MP-Soldaten im Batteriebetrieb verkauft, Iraque-proofed? Und dass es Grund zum Feiern gab, als Polen wieder ans Meer kam nach dem Krieg, Vermählungsdenkmal, ist jetzt auch klar geworden.

So schärft der Museumsbesuch den Blick auf die Wirklichkeit - anstrengend aber schon...

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