Samstag, 2. August 2008

Thema Rauchen

Diskussion übers Rauchen auf Radio Kultur. Stefanie Winde - was für ein schöner Name, was (vom Gesichtspunkt der schönen Namen aus) für eine Vergeudung an diese Trägerin -, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Berlin, und Herr Johannes Spatz, Vorsitzender irgendeiner Nichtraucher-Organisation, überbieten sich an Verfluch - und Drohgebärden, die anderen Teilnehmer kommen wenig zu Wort. Bis auf eine geduldige Wirtin, die gern eine Raucherlaubnis in ihrer Kneipe hätte - ihr wird unterstellt, sie vergifte ihre Kinder („Ich habe keine Kinder“, sagt sie freundlich, aber der Nichtraucher-Lobbyist nimmt es nicht zur Kenntnis), und als Raucherin habe sie eh keinen freien Willen. „Raucher sind Süchtige und deshalb nicht Herr ihrer selbst“, spricht sanft Herr Spatz im Ton eines Sektenführers, und die Frau mit dem sprechenden Namen fügt bedeutsam hinzu: „Wir müssen nämlich auch Menschen gegen ihren eigenen Willen schützen“, also Raucher gegen sich selbst.
Das in einem Land, in dem man auf keine mittlere Politik-Position kommt (also z.B. Sprecherin für ein Thema in einer großen Fraktion wird), ohne sich gegen andere durchzubeißen, zu intrigieren, bis man sich selbst nicht mehr kennt, zu treten, zu betteln und gegen die Erschöpfung anzuschuften, bis Tränen fließen (ich kenne genug Politiker, um zu wissen, dass es wahr ist) - ohne also von Grund auf arbeitssüchtig und gefühlskalt geworden zu sein.
Was für eine Heuchelei! Anstatt das Rauchen dann ganz zu verbieten, träumen diese Chargen davon, sich aus der Tabaksteuer (oder der Lobbyarbeit) ihr Salär bezahlen zu lassen, aber die Raucher (endlich mal eine Bevölkerungsgruppe, pars pro toto!) mit Vernunft und Gemeinschaft, Gesundheit, Rücksicht, mit all dem Kram, der in einer kapitalistischen Gesellschaft auf dem Weg in die Globalisierung sonst einen Dreck gilt (es sei denn, er brächte Geld), lebenslang zu schuriegeln. Endlich mal dürfen sie Gute Menschen spielen. Gute Menschen erzwingen! Bestrafen! Maßregeln! All das Prickelnde tun, das einen eine Erziehungsdiktatur nun mal so machen lässt! Konsequenzen? - immer für andere. Herr Spatz (normaler Zweitsatz in der Sendung „ich als Arzt“) träumt z.B. davon, ein Rauchverbot auch in Privatwohnungen durchzusetzen. Er fordert (und Frau SPD-Betroffene stimmt leise zu), der einfache Passant sollte ruhig auch mal das Ordnungsamt herbeirufen, wenn er oder sie in einer Kneipe jemanden rauchen sieht (Was - da tragen welche den Stern noch nicht? Meldung machen, Volksgenosse...)
Der einfache Passant sollte diesen Drohern, die vom Leben reden und den Zwang meinen, ausweichen als einer echten Gefahr. Lebenslang, es sind bedrückende Leute. Der „ich als Arzt“, der sich (seine Stimme verrät es) nur über all die andern erheben will, und die Sprecherin mit ihrem Allmachtsrausch. Die sich ja hoffentlich längst vehement gegen eine längere Nutzung von Kernkraft eingesetzt hat (Stichwort Volksgesundheit). Und uns allen so richtig bekannt wurde wegen ihrer mutigen Pläne gegen die Zweiklassenmedizin... Nun zerfällt die SPD ja vielleicht bald mal, Zeit wärs. Dann fängt die Dame vielleicht das Sich-verlieren an, und dann wird sie einen vielleicht irgendwann einmal nett, gebrochen und stockbesoffen an einer Bar nach Feuer fragen.
Kein Mitleid. Ich kann nur immer jeden bitten: Kein Mitleid!
Ich bleibe übrigens weiter ein trockener Raucher. Weil ich es will.

Ein Abend mit L.Cohen

Der Marktplatz von Lörrach ist nicht mittelalterlich schön, die Häuser wohl eher Dutzendware, und Touristen wird man kaum herumführen. Vielleicht gerade deshalb schafft er eine so heitere Konzentration, beste Umgebung für die Konzerte, die dort jedes Jahr stattfinden, von ein paar Tausend Menschen besucht, beäugt von den Anwohnern, den Gästen des Hotels Benoth (von denen ein paar neulich abends die Rollläden runterließen, sie hatten schließlich ein Zimmer, keine Beschallung gemietet), vielleicht lässt er deshalb die Künstler, denen das von ihrer Bühne aus klein und possierlich vorkommen wird (gemessen an den Hallen, denen sie sich sonst aussetzen), in Begeisterungssprüche verfallen, lässt Bob Dylan sich am Ende hinknien (vor neun Jahren) und Leonhard Cohen sich mehrmals für die sinnstiftende Begegnung in einer sonst qualvoll zerrütteten Welt bedanken - ein Ensemble aus meisterrenoviertem Mittelalter würde den Freiraum vielleicht erdrücken. So wie Gustav Mahler mal sagte: Perfekte Gedichte lassen sich nicht gut vertonen, brüchige kitschige Reime sind besser für eine hochempfindliche Musik.
Leonhard Cohen fing an mit seiner Bitte um einen Tanz bis ans Ende der Liebe (dorthin, wo die ungeborenen Kinder in Bewegung geraten), und es war der satte, altertümliche, freundlich-ewige Schlagerklang, der uns mitnahm. Seine ersten Worte dann (nach einer Art Hallo): ‚Give me back the Berlin wall, give me Stalin and St.Paul, I’ve seen the future, brother, it is murder‘.
Als die Zeit für ‚Suzanne‘ gekommen war, saß ich plötzlich im Wohnzimmer mit meinem Vater, 40 Jahre vorher, im Herbst 68, wir hatten die Sitte, uns beim Tee Musik vorzuspielen und ich hatte diese LP nachhaus gebracht mit dem Polaroidfoto eines offensichtlich magenkranken Mannes drauf, wir wussten beide nicht, was uns erwartete. Traurigkeit. Besessen griffige Sehnsucht. Ohnmacht und liebender Spott in der tiefen Stimme, die aushalten will, was nur gereimt zu ertragen ist. Die wohlige Weichheit der Begleitmusik drumrum. Keine Ahnung, was für Bilder da entworfen wurden, aber sie erreichten uns. Dies leise, zerrende Geschrei am Ende, weit draußen, ‚in a blizzard of ice‘ - als meine Mutter von der Arbeit kam, fragte sie: „Ist jemand gestorben?“
Ich war gleichzeitig immer noch auf dem Marktplatz. Ich dachte (und sah den agilen, freundlichen, hageren alten Herrn mit der wieder so beweglichen Stimme, dem Charme, den altertümlichen und wie-ewigen Gesten, noch dies tolle Orchester um ihn herum): Wer hätte voraussehen können, dass das so dauert, dass es ein Bund fürs Leben wird? Und noch so schön ist, grad jetzt, mit all dem Schrecken in den Liedern wie in uns und wie da draußen - dass das so hält? Grade noch. Immer grade noch.
Man vergewissert sich an solchen Abenden, mit vielen Tausenden, dass es so grade noch...

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