Freitag, 9. Mai 2008

...

Das erste Schwimmen unter freiem Himmel im Jahr, eine der kleinen Traditionen, von denen es in meinem Leben jedenfalls viele gibt, soll hier im Frühling stattfinden (und nicht im Februar auf Gomera oder so) und bei noch sehr kaltem Wasser. Also war es heut genau richtig, ich blieb knappe zehn Minuten im Parsteiner See, erst hüfthoch, dann mit einem Sprung rein in die Wellen, an der entlegenen Badestelle, wo einen bestimmt keiner findet, wenn man dann doch mal einen Herzschlag kriegen sollte in der Kälte, aber das wäre völlig gegen die Tradition, und es war ja auch toll, auch das Rausschwimmen, wenns immer wärmer wird trotz so eines inneren Bibberns und Frierens, das man aber durch eilige Arm - und Beinbewegungen fast wettmachen kann, mindestens übertönen, sodass es tatsächlich wärmer wird in dem Wasser, und nur die Vernunft sagt: Jetzt aber raus, und man ziert sich noch eine Weile, wie’s sich gehört nach der Tradition, und dann draußen ist es, obwohl die Sonne knallt, plötzlich kalt, eiskalt, als hätten Wasser und Luft ihre Lagen getauscht, und so bleibt es, die innere Kälte strömt langsam nach draußen, sehr langsam... Ist das Wetter nicht anders seit heut nachmittag?, also ich finds frisch...

Das Böse (Zwischenmeldung)

Eine Woche vorbei, und die Meinungen, die ich zu der ‚Inzest-Familie‘, wie ichs da noch nannte, ganz fest gefasst hatte, sind aufgeweicht, verändert, umgeformt. Das ist gut, aber schwach trotzdem auch.Ich lerne, dass die Tätigkeit eines Polemikers ein Handwerk mit eigenen Kniffen ist.
Zum Beispiel muss die griffige Formulierung einer Entwicklung standhalten. Nach wie vor bin ich nicht bereit, die Ehefrau des Verbrechers als nichtsahnendes Opfer zu sehen, aber mein Vergleich mit den Gattinnen von KZ-Kommandeuren kommt mir im Licht der weiteren Berichte auch überzogen vor. Ich denke sogar manchmal: Was mischt du dich da ein? Trotzdem ich eigentlich nicht bereit bin, mir so ein duldend unschuldiges weibliches Nichtsahnen über Jahrzehnte weg einreden zu lassen. Oder sogar Mitleid dafür zu empfinden. Die duldende Täterfrau ist eine Mittäterin.
Gewohnt bin ich nach einer Woche Presseschau und Gesprächen die Kritik an meiner Aufgeregtheit und Übertriebenheit. Statt erstmal leise das Entsetzliche wirken zu lassen, musste ich gleich Schuldige suchen. ‚Sie ist so alt wie ich. Ich sehe, was ich alles erlebt habe seit dem 18. Lebensjahr, entscheidende Jahre, und stell mir vor, was sie erlebt hat seitdem. Im Keller.‘, sagte ein Freund - unzählige Leute stellen sich das jetzt vor, dieses Keller-Dasein.
Aber trotzdem kann ich, im Gegensatz zu vielen um mich rum, keine Medienschelte beginnen. Die Jagd nach Aussagen, Fotos, Hintergründen findet für jeden von uns statt, die wir diesen ‚Fall‘, ‚Tragödie‘, dieses ‚Elend‘ (wie sagen?) verfolgen. In der hektischen Neugier der Medien sehe ich nichts eigentlich Widerliches, höchstens extrem Lästiges für die Betroffenen. Widerwärtig finde ich oft das Wie der Berichterstattung. Wie aus dem ‚Monster‘ ‚der Fritzl‘ wird, nur einen kleinen Abgrund weg vom ‚Pfundskerl‘, dessen Potenz man bestaunt, dessen Fickurlaubsfilme man mit verschämtem Grinsen zur Schau stellt. Wie man so tut, als wäre der Kern dieses Verbrechens der familiäre Inzest (ein Gedanke, den ich von Bov Bjerg übernehme) und nicht die unablässige Vergewaltigung, das Wegsperren, der Lebens - und Weltentzug.
Widerlich, wie die damals verantwortlichen Behörden, die das Mädchen nachhaus zurückbrachten und ihre Befreiungsversuche aus der Vergewaltigungskette als ‚Abenteuerlust‘ ‚missverstanden‘, sich weigern, von Fehlern, geschweige Schuld überhaupt zu reden. Bloß nichts zugeben. Widerlich, wie die Kirche zu diesem ihrem abgeirrten ‚Schaf‘ schweigt. Geschweige zur eigenen Zuarbeit zu den Verbrechen.
Ich komme nicht klar mit denjenigen, die diesen ‚Fall‘ für ein Singuläres, ein nicht erklärbares Unfassbares etc. halten. Ich sehe, was da passsiert ist, als ein paar Schritte quer auf dem Boden unserer Normalität, als Zuspitzung. Was Elfriede Jelinek dazu geschrieben hat, erreicht mich. Was passiert ist, jetzt allein der Routine von Psychologen und Rechtsfachleuten zur Klärung zu überlassen, als wärs eine Abweichung von an sich guter Norm, fände ich bedrohlich. Denn die Norm gibt es vielleicht nicht. Dass ‚Frau und Kinder und Gepräge‘ eine Art Eigentum des Mannes in der Familie sind, ist offenbar noch nicht überwunden, weder psychisch noch rechtlich so ganz. Umso weniger ‚Familienautonomie‘ es gibt, desto irrer gebährden sich vielleicht die ehemaligen kleinen Herrscher. Und umso isolierter und machbarer Sex alles prägt (fast das Verlässlichste in dieser deregulierten Welt), desto dumpfer wird er dann eben auch isoliert und gemacht. Die Menschen dazu gehören einem ja noch...
Aber schon wieder DEUTUNGEN. In einer Woche sieht alles anders aus.

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