Samstag, 21. Mai 2011

21.5.

Mit den gleichen Aluminiumlaptops uns gegenüber im 9.Stock des Hotel Dnister sitzen wir, Park und Altstadt unter uns, und die weitläufigen Wohnschachtelstadtviertel an den Hängen jenseits wie ausgestreut. Siebenhunderttausend Einwohner - Lembergs Innenstadt wirkt nicht so groß und auch nicht gemacht dafür, auch wenn sie heute am Samstag mit Besuchern, Händlern, Käufern und Müßiggängern gut angefüllt ist. Es gibt keine Riesen-Malls, keine Kinopaläste, auch keine Parkhäuser - keine Ahnung, ob das alles, was eine Großstadt doch ausmachen soll, nur ausgelagert ist. Die Anziehung hier, so altmodisch scheints zu sein, sind noch die Märkte, Boulevards, vielleicht Theater und Oper, das Flanieren, sich zeigen und gezeigt werden. Gestern abend ging es los, Wochenendfeier, Tangotanzpaare im Pavillon des Ivano Franko-Parks, seit 200 Jahren steht dieser Ort dem Volk für Vergnügen zu seiner freien Verfügung. Auf dem Foto, das ich machte, sah es nachher aus wie Dreharbeiten, die vielleicht Lars von Trier sofort nach dem Rausschmiss aus Cannes hier begonnen hat, seine Blödkraftmeierei wäre vielleicht auf taubere Ohren gestoßen als dort.

Der Gang durchs Geschichtsmuseum vorhin jedenfalls markierte - wenn man, wie wir, nur den paar englischen Erläuterungen folgen kann und nicht den vielen kyrillischen - als die Hauptfeinde der Ukrainer im letzten Jahrhundert die Sowietrussen mit Abstand und danach die Polen, die deutsche Besetzung ist kaum erwähnt. Das wusste ich eigentlich vorher, es erschrickt dann aber doch. Trotzdem ist Geschichte diesmal nicht das Thema, das mich fesselt, vielleicht ändert es sich mit dem andern Teil unsrer Reisegruppe, den wir erwarten. Es sind mehr die Stimmen und Klänge (vielleicht liegt es am hellhörigen Mikro, das ich dabei hab), sind Arm und Reich, Off-Roader auf dem Zebrastreifen geparkt, über den der Alte schleicht, der die Mülltonnen durchstöbert, Anorakmädchen vom Land mit Schlurfschritt am Wiener Cafe entlang, überholt von der Gleichaltrigen mit schwingender Hüfte und neuestem Elektroniktraum um die Ohren. Es ist ein Schwung in der Stadt, aber hat er mit Fortschritt zu tun? Stimmt es, dass die meisten jungen Leute hier weg wollen? Eben läuft eine Enya-Schnulze, und ich hoffe grad sehr, dass diesem Land das gleiche Schicksal erspart bleibt wie Irland, für scheinbaren Wohlstand ein Bankenfutter zu werden. Die Melancholie, die dann aufkommt, ist, wie man hört, richtig mies. (Auch Enya war mal ein schlurfendes unausgeschlafenes Mädchen, das meiner damaligen Freundin und mir den Kaffee zum Frühstück brachte in der Familienpension von ,Clannad‘, Ende der 70ger).
Die Straßenbahnen hier werden von Frauen gelenkt, und die schlimmsten Gleise sind aufgerissen, um für den Ansturm Europas im nächsten Jahr repariert zu sein. Das war nötig. Mehr erstmal nicht.

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